Lutz Tempelhagen (✝)

Unfinished Business

Es sah gar nicht so schlecht aus für Lutz Tempelhagen, Ende der Siebziger Jahre in West-Berlin. Die Stadt ist voller Talente, in der Nähe des KaDeWe ist David Bowie gerade verloren in der Zeit und Tempelhagen ein junger Musiker im Studio mit Produzent Udo Arndt, der in den nächsten zehn Jahren mit Nina Hagen, Spliff, Nena, den Rainbirds oder Stefan Waggershausen zu einem der erfolgreichsten seines Fachs avancieren sollte. Jim Rakete macht Fotos, mal trommelt Hansi Behrendt von Ideal für ihn, mal spielt Reinhold Heil von Spliff die Keyboards, und dank eines Investors mit Geldkoffer (ja, die Siebziger eben...) schauen auch noch die Brass-Section der SFB-Big-Band und die Streicher des Philharmonischen Orchesters Berlin vorbei. Eine Disco-Produktion mit
Soul und Funk am Puls der Zeit entsteht unter dem Projektnamen Flyers. Nur dass von der LP anschließend in Deutschland lediglich Mainline Is Sunshine als Single erscheint.  >>>

Vierzig Jahre später, 2021 weiß Tempelhagen gar nicht mehr so recht, wie es dazu kommen konnte, dass diese Platte unterging, sich seine Musikerkarriere in Luft auflöste, er Taxiunternehmer (ja, die Achtziger eben...), Präsident des Berliner Schlittschuh-Clubs, Druckerei-Besitzer und Zeitungsverleger, aber kein Musiker wurde.

Unfinished business, das er in den Nuller Jahren noch einmal angeht, neue Songs schreibt, produziert und arrangiert, wieder in Schwung kommt, um am Ende von einer schweren Lungenkrankheit aus der Bahn geworfen zu werden. Doch er kämpft sich zurück ins Leben und veröffentlicht mit „Stiller Tag“ und zwei weiteren Songs eine Nachfolge-EP, ganz ohne Geldkoffer und beautiful friends, dafür aber mit dem guten Gefühl eine alte Geschichte zu Ende bringen zu können, deren letztes Kapitel jetzt beginnt.

Christian Biadacz,
28iF Musikpromotion
März 2021